Nach der Leichtigkeit des Sommers, für viele eine Zeit des Urlaubs und der Entspannung, kehrt nun wieder der Alltag ein. Hier ein paar Gedanken zum Alltäglichen.
Alltägliches, Alltag – was ist das eigentlich genau?
Wikipedia meint: „Unter Alltag versteht man gewohnheitsmäßige Abläufe bei zivilisierten Menschen im Tages- und Wochenrhythmus.“ Eine zum einen ganz selbstverständlich als allgemeingültig gesetzte Aussage („man“), zum anderen eine ziemlich diskriminierende Definition. Denn was bedeutet zivilisiert? Und was wäre dann, im Gegensatz dazu, unzivilisiert?
Das Alltägliche ist doch zunächst einmal nichts anderes, als das, was alle Tage stattfindet: Nach dem Schlaf aufstehen, Mahlzeiten zubereiten und einnehmen, anstehende Arbeiten erledigen, sich nach getaner Arbeit erholen und sich schließlich wieder schlafen legen. So weit, so gut, so allgemein gültig. Dafür muss nicht das Adjektiv „zivilisiert“ bemüht werden, denn das ist das jedem Menschen Notwendige, Normale, Übliche, weil Lebenserhaltende.
Zunächst umfasst der Alltag die ganz grundlegenden Dinge wie Schlafen und Essen. Und doch kann dieses Alltägliche individuell ganz unterschiedlich sein, abhängig davon, was einem persönlich wichtig ist oder in welcher Lebenssituation man sich befindet: Wer z.B. im Krankenstand ist oder arbeitslos, für den fällt der Faktor (Erwerbs-)Arbeit weg, dessen Alltag hat andere Gewichtungen. Wir können darüber hinaus auch noch weitere Unterscheidungen betrachten, wie z.B. von alltäglich und besonders, von gewöhnlich und außergewöhnlich oder werktäglich und sonntäglich. Dann wird das Ganze etwas differenzierter. Auch das ist jedem Menschen möglich, sich aus dem Alltag der Lebensnotwendigkeiten zu erheben, dem „Naturmenschen“ wie dem sich als „Kulturmenschen“ verstehenden, dem Armen und dem Reichen, dem Jungen und dem Alten.
„Aller Alltag ist grau“, heißt es. Wohl, weil er im Allgemeinen mit Pflichten und Sich-Wiederholendem, Gleichförmigen angefüllt ist, das nicht unbedingt Freude macht. Daher ist es wichtig, einen Ausgleich, eine Balance herzustellen. Dem Alltag wird ein Feiertag, ein Tag des Ausruhens, frei von Pflichten, gegenübergestellt. Im christlichen Kulturkreis ist dies der Sonntag, der Sonnen-Tag, der Tag des Lichtes, der uns aus dem alltäglichen Grau der Gewöhnung und Routine heraushebt.
Doch stimmt das? Kann nicht auch an jedem Tag des Alltags ein Licht das Einerlei erleuchten, z.B. durch das tägliche Gebet, durch das Erleben von Gemeinschaft, eine liebevolle Begegnung mit anderen Menschen, einen hoffnungsvollen Gedanken, die Schönheit einer Blüte? Dies wird meist im „grauen“ Alltag übersehen und nicht bewusst wahrgenommen. Und doch ist es, davon bin ich überzeugt, die Grundlage für alles andere, das, womit wir „unsere Seele grundieren“, wie ein Maler seine Leinwand.
Wir alle können uns tägliche Highlights, ein tägliches Licht verschaffen, die uns aus dem alltäglichen Einerlei herausheben. Ja, man könnte sagen, es ist mehr als das: Wir brauchen etwas Besonderes, sich vom notwendigen materiellen Alltag Unterscheidendes: als rhythmischen, ebenfalls lebenserhaltenden Ausgleich. Denn alles, was ohne Ausgleich ist, wird unlebendig und starr, wird zum gleichgültigen und letztlich unmenschlichen, getakteten Alltagstrott.
Für die einen ist es das Treffen mit Freunden, für andere eine sportliche Betätigung oder ein besonderes Hobby, das Singen in einem Chor oder der sonntägliche Gottesdienstbesuch. Auch die ganz einfache Freude über etwas Schönes, wie ein Lächeln, ein hingebungsvoll spielendes Kind, ein schönes Gespräch oder eine Blume.
Wir brauchen eine Form von Spiritualität, welcher Art auch immer. Ein tiefes, inneres „Wissen“, eine Gewissheit, dass uns etwas hält und trägt, jeden Tag, alle Tage, als etwas All-Tägliches im besten Sinn des Wortes.
Einer ist da, der mich denkt.
Der mich atmet. Der mich lenkt.
Der mich schafft und meine Welt.
Der mich trägt und der mich hält.
Wer ist dieser Irgendwer?
Ist er ich? Und bin ich er?
(Mascha Kaléko)
Text und Bild: Heidi Rohrlack